Aufgabe der Surrogatstheorie bei der Urlaubsabgeltung

BAG, Urteil vom 19.6.2012 – 9 AZR 652/10

Dem Urteil liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Kläger war bei dem Beklagten vom 15.1.2008 bis zum 31.7.2008 als “Operation-Manager” angestellt. Urlaub war dem Kläger in dieser Zeit nicht gewährt worden. Er verlangte deshalb mit Schreiben vom 6.1.2009 vom Beklagten die Abgeltung von 16 Urlaubstagen aus dem Jahr 2008. Dies lehnte der Beklagte ab.

Das BAG gab der Klage statt.

Nach § 7 IV BUrlG hat der Arbeitgeber den Urlaub abzugelten, der dem Arbeitnehmer wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden kann. Im vorliegenden Fall sind dies mindestens die 16 geltend gemachten Urlaubstage.

Der Urlaubsanspruch ist nicht mit Ablauf des Jahres 2008 erloschen, weil der Kläger im Urlaubsjahr 2008 keinen Urlaub beansprucht und die Abgeltung des Urlaubs erstmals mit Schreiben vom 6.1. 2009 und damit nach Ablauf des Urlaubsjahres verlangt hat.

Die frühere Rechtsprechung nahm an, der Abgeltungsanspruch sei abgesehen von dem Tatbestandsmerkmal der Beendigung des Arbeitsverhältnisses an die gleichen Voraussetzungen gebunden wie der Urlaubsanspruch. Er setzte als Erfüllungssurrogat des Urlaubsanspruchs voraus, dass der Urlaub noch gewährt werden könne, wenn das Arbeitsverhältnis noch bestände. Da der Urlaubsanspruch auf das Kalenderjahr befristet sei, müsse auch der ihn ersetzende Abgeltungsanspruch bis zum Ende des Kalenderjahres geltend gemacht und erfüllt werden. Ansonsten gehe er ebenso wie der Urlaubsanspruch ersatzlos unter. Danach wäre der Abgeltungsanspruch des Klägers am 31.12.2008 gem. § 7 III 1 BUrlG verfallen.
Grund für die Surrogatsrechtsprechung waren die Ansprüche auf Urlaubsabgeltung von fortdauernd arbeitsunfähig erkrankten Arbeitnehmern. Es sollte verhindert werden, dass arbeitsunfähig ausscheidende Arbeitnehmer einen Vorteil gegenüber den im Arbeitsverhältnis verbleibenden arbeitsunfähigen Arbeitnehmer haben.

Das BAG hat die Surrogatsrechtsprechung im Rahmen dieser Entscheidung auch für den Fall der Arbeitsfähigkeit des aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidenden Arbeitnehmers und damit komplett aufgegeben.
Der gesetzliche Urlaubsabgeltungsanspruch unterfällt demnach grundsätzlich als reiner Geldanspruch nicht mehr dem Fristenregime des BUrlG.

Sachliche Gründe dafür, warum für einen arbeitsfähigen Arbeitnehmer nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses andere Regeln für den Verfall des Urlaubsabgeltungsanspruchs gelten sollen als für einen arbeitsunfähigen Arbeitnehmer, bestünden nicht.