Erforderlichkeit einer Abmahnung bei privater Internetnutzung am Arbeitsplatz

BAG, Urteil vom 19.04.2012 – 2 AZR 186/1

Dem Urteil liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Kläger war seit 1992 bei der Beklagten zu 1) beschäftigt. Mit Schreiben vom 4.12.1997 traten die Beklagten zu 2) und 3) dem Arbeitsverhältnis bei. Der Kläger wurde durch ein Rundschreiben und eine Abteilungsleiterbesprechung darauf hingewiesen, dass jegliche private Nutzung vom Internet untersagt sei und auch bei einem einmaligen Verstoß mit “arbeitsrechtlichen Konsequenzen” (Abmahnung, Kündigung) zu rechnen sei. Bei einer Überprüfung des Internetzugangs des Klägers wurde festgestellt, dass über diesen in der Zeit vom 13.10.06 bis 2.11.06 in erheblichem Umfang auf Internetseiten pornographischen Inhalts zugegriffen worden war.
Mit drei Schreiben jeweils vom 21.11.06 kündigten die Beklagten das Arbeitsverhältnis fristlos und vorsorglich ordentlich zum 30.06.2007.

Hiergegen hat der Beklagte rechtzeitig Kündigungsschutzklage erhoben und begehrt zugleich Zahlung der Vergütung für die Monate November und Dezember 2006.
Der Kläger hält die Kündigungen für unwirksam. Er räumt zwar die private Nutzung des Internets ein, jedoch habe er als Abteilungsleiter keine festen Arbeitszeiten. Er habe seine Arbeit durch die private Internetnutzung nicht vernachlässigt und die privat verwandte Zeit wieder “eingearbeitet”.

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Auf den zweitinstanzlich gestellten Auflösungsantrag der Beklagten hat das LAG das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung zum 30.06.07 aufgelöst. Die Revision des Klägers und die Anschlussrevision der Beklagten hatten keinen Erfolg.

Die Würdigung des LAG, die Kündigung vom 21.11.2006 sei unwirksam, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Die Beklagten hätte den Kläger vor der Kündigung abmahnen müssen.
Beruht die Vertragspflichtverletzung des Arbeitsverhältnisses auf steuerbarem Verhalten des Klägers ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Konsequenzen positiv beeinflusst wird. Dies ist nur dann nicht der Fall, wenn erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten ist und die Pflichtverletzung derart schwerwiegend ist, dass selbst die erstmalige Hinnahme für den Arbeitgeber unzumutbar ist.
In diesem Fall lasse das Verhalten des Klägers keine eindeutige negative Prognose zu. Eine Privatnutzung während der Arbeitszeit sei nicht feststellbar, da der Kläger als leitender Angestellter nicht über feste Arbeitszeiten verfügte.
Eine Wiederholungsgefahr nach Abmahnung sei nicht erkennbar. Auch aufgrund der langen beanstandungsfreien Dauer des Arbeitsverhältnisses hätten sich die Beklagten auf den Ausspruch einer Abmahnung beschränken müssen und dem Kläger die Möglichkeit geben müssen, sein Verhalten zu korrigieren.
Zwar musste dem Kläger klar sein, dass die Beklagten sein Verhalten als vertragswidrig einstufen würden, jedoch habe er davon ausgehen dürfen, dass ein Verstoß nicht sofort zu einer Kündigung führe.
Ferner hält die Entscheidung des LAG das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung zum 30.6.07 aufzulösen, einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.
Da es sich bei dem Kläger um einen leitenden Angestellten mit selbständiger Entscheidungskompetenz gehandelt habe, habe der Auflösungsantrag der Beklagten keiner Begründung bedurft (§ 14 II 2 KSchG).

Der Kläger hat ferner einen Anspruch auf die noch offene Vergütung nach §§ 615, 611 BGB, da das Arbeitsverhältnis im Anspruchszeitraum noch fortbestanden hat.