Zulässigkeit der Altersgruppenbildung innerhalb eines Interessenausgleichs

– BAG, Urt. v. 19.07.2012 – 2 AZR 352/11 –

Dem Urteil liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Klägerin war seit 1978 bei der Beklagten als Sekretärin beschäftigt. Am 10.07.2009 schloss die Beklagte mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich. Danach sollten wegen Stilllegung und Verlagerung einzelner Betriebe insgesamt 128 Arbeitsplätze entfallen. Hierfür wurde eine von Arbeitgeber und Betriebsrat unterschriebene Liste mit den Namen von 70 zu kündigenden Arbeitnehmern mit dem Interessenausgleich fest verbunden. Auf dieser Liste befand sich auch der Name der Klägerin. Im Rahmen des Interessenausgleichs wurde sich auf ein Punkteschema und auf die Bildung von drei Altersgruppen zur Aufrechterhaltung einer ausgewogenen Personalstruktur geeinigt. Innerhalb der Vergleichsgruppe, welcher die Klägerin angehörte (Sekretärinnen in der Entwicklung), sollten zwei Stellen abgebaut werden. Die Beklagte kündigte der Klägerin nach Anhörung des Betriebsrats ordentlich.

Die Revision der Klägerin vor dem BAG hatte Erfolg.
Das LAG hat zunächst rechtsfehlerfrei angenommen, dass das Vorliegen dringender betrieblicher Erfordernisse im Streitfall gem. § 1 V KSchG vermutet wird und die soziale Rechtfertigung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden kann. Da hier eine Betriebsänderung iSd § 111 KSchG vorlag und die Klägerin in dem Interessenausgleich namentlich bezeichnet worden ist, sind die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 1 V KSchG erfüllt.
Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass die Auswahl der Klägerin grob fehlerhaft ist. Eine Altersgruppenbildung ist nach § 1 III 2 KSchG nicht bereits deshalb unzulässig, weil dabei das Lebensalter als Auswahlkriterium berücksichtigt wird. Die in § 1 III 1 KSchG eröffnete Möglichkeit, die Auswahl zum Zweck der Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur innerhalb von Altersgruppen vorzunehmen, verstößt auch nicht gegen das unionsrechtliche Verbot der Altersdiskriminierung.
Eine Sozialauswahl nach Altersgruppen kann zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebs i.S. von § 1 III 2 KSchG zulässig sein. Dies soll jedoch nur dann gelten, wenn die konkrete Altersgruppenbildung zur Sicherung der bestehenden Altersstruktur der Belegschaft geeignet ist. Sind mehrere Gruppen vergleichbarer Arbeitnehmer von den Entlassungen betroffen, ist dies nur der Fall, wenn auch innerhalb der jeweiligen Vergleichsgruppe eine proportionale Berücksichtigung der Altersgruppen an den Entlassungen möglich ist.
Diesen Mindestanforderungen an eine Sozialauswahl genügt die von der Beklagten getroffene Auswahl nicht. Da nur zwei Arbeitnehmer zur Kündigung anstanden, konnten nur maximal zwei von drei Altersgruppen an den Entlassungen beteiligt werden. Dies führte notwenig zu einer Verschiebung der Altersstruktur. Dementsprechend haben die ausgesprochenen Kündigungen in der Vergleichsgruppe der Klägerin zu einem Absinken des Altersdurchschnitts um 3,3 Jahren geführt.

Die Sozialauswahl ist grob fehlerhaft, wenn eine evidente, ins Auge springende erhebliche Abweichung von den Grundsätzen des § 1 III vorliegt und der Interessenausgleich jede soziale Ausgewogenheit vermissen lässt. Dabei muss sich die getroffene Auswahl gerade mit Blick auf den klagenden Arbeitnehmer im Ergebnis als grob fehlerhaft erweisen.

Demnach wird das LAG bei der erneuten Entscheidung zu berücksichtigen haben, dass in die soziale Auswahl diejenigen Arbeitnehmer nicht einzubeziehen sind, deren Weiterbeschäftigung, wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Die vom Arbeitnehmer mit der Herausnahme verfolgten Interessen müssen auch im Kontext der Sozialauswahl berechtigt sein. Das Interesse des sozial schwächeren Arbeitnehmers ist gegen das betriebliche Interesse des Arbeitgebers an der Herausnahme des so genannten Leistungsträgers abzuwägen.