Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung gegen ein Betriebsratsersatzmitglied wegen Verstoß gegen Arbeitspflichten und Verbote

Ist eine nicht ordentliche Kündigung gegen ein Betriebsratsersatzmitglied möglich, wenn dieses gegen ein betriebsinternes Rauchverbot verstößt? Welche Anforderungen sind im Hinblick auf Abmahnungen zu stellen?

Grundsätzlich unterfallen Betriebsratsersatzmitglieder dem besonderen Kündigungsschutz gem. § 15 I 1 KSchG i.V. mit § 103 I BetrVG solange sie ein Mietglied vertreten. Danach greift der Kündigungsschutz des Satzes 2.

Ein wichtiger Grund kann in dem Verstoß gegen das Rauchverbot in einem Betrieb mit leicht entflammbaren Stoffen oder Produktionen vorliegen.

Vorliegend streiten die Parteien, ob die ausgesprochene außerordentliche Kündigung wirksam ist, oder ob das Arbeitsverhältnis fortbesteht. Die Beklagte des Rechtsstreits (ehemaliger Arbeitgeber) betreibt eine Druckerei. Es werden leicht entzündliche Lösungsmittel verwendet. Ferner kann der vorhandene Papierstaub leicht entflammen. In dem Betrieb wurde deswegen ein Rauchverbot verhängt. Eine Ausnahme ist nur in extra gekennzeichneten Bereichen zulässig. Die Beklagte sprach gegenüber dem Kläger mehrere Abmahnungen wegen Verstoßes gegen das Rauchverbot aus. Darin wurde unter anderem mit der Kündigung des Arbeitsverhältnisses gedroht, sollte es zu einem weiteren Verstoß kommen. Der Betriebsrat teilte mit, dass er sich bezüglich einer Kündigung nicht äußern werde. Daraufhin wurde seitens des Beklagten das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch eine nicht ordentliche Kündigung fristlos beendet.

Hiergegen richtete sich die Kündigungsschutzklage des Klägers. Er führte an, dass die Kündigung wegen der fehlenden Stellungnahme und fehlenden Zustimmung unwirksam sei. Der Kläger beantragte die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst wurde.

Das Arbeitsgericht Mönchengladbach gab der Klage statt. Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf wies die Klage ab. Die hiergegen gerichtete Revision des Klägers vor dem Bundesarbeitsgericht hatte keinen Erfolg.

Vorliegend wurde die Kündigung als wirksam angesehen.

Ein Hindernis, das zur Unwirksamkeit der Kündigung führen könnte, stellt § 15 I 1 KSchG i. V. m. § 103 I BetrVG dar. Dieser Schutz stand dem Kläger zum maßgeblichen Zeitpunkt nicht zu. Für Betriebsratsersatzmitglieder besteht nach der Vertretung lediglich ein nachwirkender Kündigungsschutz gemäß § 15 I 2 KSchG. Hierbei ist eine Zustimmung seitens des Betriebsrates nicht erforderlich.

Paragraph 15 Absatz 1, Satz 1 Kündigungsschutzgesetz regelt, dass eine Kündigung gegenüber einem Betriebsrat unzulässig ist. Eine Ausnahme ist nur dann gegeben, wenn Gründe für eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund vorliegen und diese die Einhaltung der Kündigungsfrist nicht hinnehmbar (Grundsatz der Unzumutbarkeit des Fortbestehens des Arbeitsverhältnisses) erscheinen lassen. Ferner bedarf es gemäß § 103 Betriebsverfassungsgesetz der Zustimmung des Betriebsrates. Diese Zustimmung kann durch gerichtliche Entscheidung ersetzt werden, § 103 Absatz 2. Diese spezielle Schutzregelung gilt auch für Betriebsratsersatzmitglieder (kurz: Ersatzmitglieder), solange sie ein ordentliches Mitglied des Betriebsrates, welches verhindert ist, vertreten.

Wann ein Ersatzmitglied nachrückt, regelt § 25 Abs. I, S. 1 BetrVG. Grundsätzlich in dem Fall, in dem ein ordentliches Mitglied ausscheidet. Gemäß Satz 2 gilt dies auch für die Fälle, in denen das Mitglied verhindert ist. Eine Verhinderung liegt dann vor, wenn das Mitglied sowohl aus rechtlichen als auch aus tatsächlichen Gründen verhindert ist, sein Amt auszuführen.

Eine Verhinderung ist beispielsweise dann anzunehmen, wenn das Mietglied auf Erholungsurlaub ist und nicht geäußert hat, sein Amt während der Urlaubszeit weiterzuführen. Hier gilt der Grundsatz, dass dem Mitglied während des Urlaubs die Ausübung grundsätzlich unzumutbar ist, auch wenn dem rein objektiv keine Hindernisse entgegenstehen.

Bei der Frage, ob die Regelung der Sonderschutzkündigung gemäß § 103 I BetrVG greift, ist auf den Zugang der Kündigung abzustellen. Dies geschieht gemäß § 130 Abs. 1, S. 1 BGB. Kündigungen stellen ein einseitiges empfangsbedürftiges Rechtsgeschäft dar. Wirkung kann eine Kündigung grundsätzlich erst dann entfalten, wenn sie gemäß § 130 I 1 BGB zugegangen ist. Bis dahin ist diese unwirksam.

Eine Zustimmung des Betriebsrates nach § 103 I BetrVG hat das Ziel, den Betriebsrat als gewähltes Gremium zu schützen und seine Funktionsfähigkeit sicherzustellen. Hierbei soll verhindert werden, dass durch die Kündigung einzelner Mitglieder die Funktionsfähigkeit des Betriebsrates herbeigeführt wird.

Für den Arbeitgeber besteht indes nicht die Gefahr, dass ein Ersatzmitglied sich rechtsmissbräuchlich auf den besonderen Kündigungsschutz beruft, da dem mithilfe des § 242 BGB (Leistung nach Treu und Glauben; hierzu wurden durch die Rechtsprechung u.a. Fallgruppen gebildet) begegnet werden kann. Ein sich Berufen wäre zum Beispiel dann ausgeschlossen, wenn der Vertretungsfall absichtlich herbeigeführt worden wäre.

Betriebsratsmitglieder, die ausscheiden, kommen in den Schutz von § 15 I 2 KSchG. Dieser verhindert für eine bestimmte Zeit die Möglichkeit einer außerordentlichen Kündigung. Diese Regelung greift auch für Ersatzmitglieder, sofern sie Aufgaben des Betriebsrates wahrgenommen haben.

Im vorliegenden Fall war keine Zustimmung nötig, da keine Verhinderung vorlag. Eine Verhinderung liegt nicht schon dann vor, wenn ein Mitglied arbeitsfrei hat. Außerhalb der Arbeitszeiten ist die Wahrung der Aufgaben nicht unmöglich und unzumutbar. Es müssen faktische Gründe vorliegen, die die Wahrung unzumutbar machen.

Die fristlose Kündigung aus wichtigem Grund regelt § 626 Abs. I BGB. Hiernach kann ohne Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, die eine Unzumutbarkeit, unter Abwägung der Interessen beider Vertragsparteien, begründen.

Hier hatte der Kläger gegen das innerbetriebliche Rauchverbot verstoßen. Er hat seine Nebenpflichten (bei Verträgen wird zwischen Haupt- und Nebenpflichten unterschieden) aus dem Arbeitsvertrag verletzt.

Bei der Prüfung, ob Unzumutbarkeit vorliegt, richtet sich die Beantwortung der Frage nach den Umständen des Einzelfalles und nach den Interessen der Vertragsparteien. Es muss indes berücksichtigt werden, welches Ausmaß die Verletzung der Vertragspflicht hat. Ferner muss ein Verschulden vorliegen, bei dem die Verschuldensintensität bestimmt werden muss. Darüber hinaus wirkt sich auch eine mögliche Wiederholungsgefahr aus.
Bei einer Abmahnung ist es nicht erforderlich, dass ein Arbeitgeber für den Fall der Wiederholung eine außerordentliche Kündigung androht. Es reicht vielmehr aus, wenn der betroffene Arbeitnehmer erkennen kann, dass das Fortbestehen seines Arbeitsverhältnisses gefährdet ist.

Eine Abmahnung kann dann ihre Wirkung verlieren, wenn zu oft abgemahnt wird, ohne dass eine Folge eintritt. Dies ist der Fall, wenn trotz Verletzung der Pflichten nur abgemahnt wird, d.h. die Mahnung keine tatsächliche Drohung der Kündigung mehr darstellt.

Bei einer Kündigung aus wichtigem Grund gemäß § 626 I BGB muss die Frist des Absatzes II eingehalten werden. Diese beträgt zwei Wochen und beginnt mit Kenntniserlangung der zu der Kündigung berechtigenden Tatsachen.

(BAG, Urt. v. 27.9.2012 – 2 AZR 955/11)

Der vorliegende Fall verdeutlicht indes einmal umso mehr, welche Hürden das Arbeitsrecht bietet. Bei einer Abmahnung sind bestimmte Formalien, wie auch rechtliche Aspekte zu berücksichtigen. Schnell kann eine Abmahnung unwirksam sein und eine außerordentliche Kündigung scheitern lassen. Damit eine außerordentliche Kündigung ausgesprochen werden kann, müssen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 626 BGB vorliegen. Die Abwägung und Prüfung kann kaum von einem juristischen Laien bewältigt werden. Zu viele Fallkonstellationen sind möglich. Arbeitnehmer müssen die Wahrung der Frist für eine Kündigungsschutzklage beachten. Arbeitgeber die oben genannte zwei-Wochen-Regelung des § 626 II BGB. Ist in einem Fall der Kündigung ein Betriebsratsmitglied betroffen oder ein Ersatzmitglied, so gelten auch die Vorschriften des BetrVG. Zumeist in Verbindung mit dem KSchG.

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