Rechtswidrigkeit heimlich durch einen Detektiv erstellter Videoaufnahmen vom Arbeitnehmer trotz Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen

Seit Mai 2011 war die Arbeitnehmerin als Sekretärin in der Geschäftsleitung tätig. Am 12.12.2011 kam es zu einer Meinungsverschiedenheit, weil die Arbeitnehmerin eine Weisung zur Vorlage von Unterlagen nicht so erledigte, wie es der Arbeitgeber erwartet hatte. Ab dem 27. Dezember 2011 war sie arbeitsunfähig erkrankt. Sie reichte zunächst eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung wegen Bronchialerkrankungen ein. Danach legte sie vier weitere AU-Bescheinigungen eines Facharztes für Allgemeinmedizin und ab 31. Januar 2012 zwei weitere Bescheinigungen einer Fachärztin für Orthopädie wegen eines Bandscheibenvorfalles vor.

Der Arbeitgeber bezweifelte den zuletzt mitgeteilten Bandscheibenvorfall und beauftragte einen Detektiv mit der Observation der Arbeitnehmerin. Die Überwachung der Arbeitnehmerin erfolgte im Februar 2012 in einem Zeitraum von vier Tagen. Der Detektiv beobachtete unter anderem das Haus der Arbeitnehmerin, sie persönlich und ihren Mann mit Hund vor dem Haus und der Besuch der Arbeitnehmerin in einem Waschsalon. Dabei erstellte der Detektiv auch Videoaufnahmen.

Die Überwachung einschließlich der heimlichen Aufnahmen der Arbeitnehmerin waren rechtswidrig. Der Arbeitgeber hatte keinen berechtigten Anlass zur Überwachung. Personenbezogene Daten eines Arbeitnehmers für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses dürfen nur unter engen Voraussetzungen erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, insbesondere wenn zu dokumentierende tatsächliche Anhaltspunkte den Verdacht begründen, dass der Betroffene im Beschäftigungsverhältnis Straftaten begangen hat. Ein Arbeitnehmer begeht beispielsweise dann einen Betrug nach § 263 StGB, wenn er eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit vortäuscht und sich so unberechtigt die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall sichert.

Die ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist das gesetzlich vorgesehene Nachweismittel, mit dem der Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit und deren Dauer nachweist. Ihr kommt ein hoher Beweiswert zu. Die aus der ärztlichen Bescheinigung folgende tatsächliche Vermutung für das Bestehen einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit kann der Arbeitgeber durch das Vorbringen entgegenstehender Tatsachen erschüttern. Solche Tatsachen können sein, dass der Arbeitnehmer im Rahmen einer Auseinandersetzung am Arbeitsplatz oder nach einem Streit um Urlaubsgewährung eine nachfolgende Arbeitsunfähigkeit angekündigt hat oder wenn der Arbeitnehmer während der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit Tätigkeiten nachgeht, die mit der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit nicht vereinbar erscheinen, z.B. die schichtweise Verrichtung einer Nebentätigkeit. Aber auch wenn der Arbeitnehmer widersprüchliche Angaben zu seiner Arbeitsunfähigkeit macht oder wenn er einer Aufforderung zu einer Begutachtung durch den medizinischen Dienst der Krankenkasse nicht nachkommt, können Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit berechtigt sein.

Der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen wurde weder dadurch verringert, dass sie von Fachärzten für Allgemeinmedizin und für Orthopädie stammten, noch durch eine Änderung im Krankheitsbild (Bronchialerkrankung zu Bandscheibenvorfall) oder weil ein Bandscheibenvorfall zunächst hausärztlich behandelt worden war.

(BAG 19.2.2015, 8 AZR 1007/13)