Beeinträchtigt ein Wechsel von einer Vollzeittätigkeit zu einer Teilzeitbeschäftigung die Urlaubsdauer?

Grundsätzlich behalten Arbeitnehmer ihre bisher erworbenen Urlaubstage, wenn sie während des laufenden Urlaubsjahres von einer Vollzeitstelle in eine Teilzeitbeschäftigung wechseln. Die erworbenen Urlaubstage bleiben hierbei in vollem Umfang bestehen. Dies gilt auch für den Fall, dass die Beschäftigung an weniger Tagen in der Woche als bisher ausgeübt wird.

Vorliegend war die Arbeitnehmerin in einem Vollzeitbeschäftigungsverhältnis und hatte fünf Tage die Woche gearbeitet. Mit dem Ende ihrer Elternzeit geht sie in Teilzeitbeschäftigung mit drei Tagen pro Woche. Zu dem Zeitpunkt, in dem sie ihre Tätigkeit in einer Teilzeitbeschäftigung aufgenommen hat, stehen ihr aus früherer Arbeit 29 Urlaubstage zu, die sie erworben hat. Der Arbeitgeber ist der Auffassung, dass nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts (BAG) die Urlaubstage im Verhältnis mit den Arbeitstagen zu kürzen sind. Die Anpassung der Urlaubstage ergibt nach dem Arbeitgeber lediglich einen Anspruch auf 17 Tage.
Hiergegen klagt die Arbeitnehmerin vor dem Arbeitsgericht (ArbG). Nach ihrer Ansicht stehen ihr weiterhin 29 Urlaubstage zu. Das ArbG hat Zweifel daran, wie europäisches Recht auszulegen ist und setzt daraufhin das Verfahren aus und legt die Frage zur Vorabentscheidung dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vor.

Der EuGH ist der Ansicht, dass bei einem Wechsel von einem Vollzeit- in ein Teilzeitbeschäftigungsverhältnis bisher erworbene Urlaubsansprüche nicht gekürzt werden dürfen. Diese Vorgehensweise ist unzulässig und verstößt gegen europäisches Recht.

Eine Kürzung der bisher erworbenen Ansprüche verstößt gegen Art. 7 der erlassenen Richtlinie (RL) 2003/88 sowie gegen §4 der Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit im Anhang der RL 97/81/EG. In Art. 7 der RL ist der Grundsatz auf bezahlten Urlaub verankert. Dieser Anspruch ist ein grundlegender Anspruch innerhalb des Sozialrechts der Union. Da dieser Grundsatz besonders schutzbedürftig ist, verbietet sich eine restriktive Auslegung.  Nach bisheriger Rechtsprechung können neue Urlaubsansprüche angepasst, d.h. auch gekürzt werden, da dies aus sachlichen Gründen gerechtfertigt ist. Auf solche Fälle wie der vorliegende Fall kann der proratatemporis-Grundsatz jedoch nicht nachträglich auf bereits erworbene Ansprüche angewandt werden. Es gibt keine sachlichen Gründe, um bei einem Wechsel von Vollzeit in Teilzeit die bisherigen Ansprüche zu kürzen. Die Argumentation, nach der Arbeitnehmer durch die Reduktion der Arbeitstage im Falle einer anteiligen Kürzung der Urlaubstage die gleiche Anzahl an Urlaubswochen behalten, greift nicht.
Arbeitet ein Arbeitnehmer in Teilzeit nur noch an drei Tagen die Woche und werden ihm nur noch drei Urlaubstage pro Woche anerkannt, ist dies kein Äquivalent zu fünf vollen Urlaubstagen, die ihm eigentlich zustehen.

(EuGH, Beschl. v. 13.6.2013 – C-415/12)

Das vorliegende Urteil verdeutlicht, wie europäisches Recht deutsches Recht beeinflusst und wie wichtig es geworden ist. Für Anwälte bedeutet dies, bei Fällen grundsätzlich auch europäisches Recht zu berücksichtigen.

Für Arbeitnehmer bedeutet das Urteil, dass bei einem Wechsel von Voll- zu Teilzeit bisher erworbene Urlaubsansprüche in vollem Umfang übertragbar sind. Für Arbeitgeber kann dies zu bizarren Ergebnissen führen. In den Fällen nämlich, in denen der Arbeitnehmer seine Tätigkeit erst gar nicht mehr ausüben muss, sondern für den Rest des Jahres in bezahlten Urlaub gehen kann.