Der EuGH sieht Kettenbefristungen als mit Unionsrecht vereinbar an, wenn ein tatsächlicher Vertretungsbedarf als sachlicher Grund im konkreten Einzelfall gegeben ist

EuGH vom 26.01.2012 (Rs. C-586/10 – Kücük) auf Vorabentscheidungsersuchen des BAG vom 17.11.2010 (7 AZR 443/09)

Der Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zu Grunde: Die Klägerin Frau Bianca Kücük war als Justizangestellte am AG Köln auf Grundlage von 13 befristeten Arbeitsverträgen 11 Jahre im Zeitraum vom 2. Juli 1996 bis zum 31. Dezember 2007 angestellt. Die befristeten Verträge wurden stets zur Vertretung von Angestellten, die in Sonder- und Erziehungsurlaub gingen, geschlossen.

Die Klägerin vertrat die Ansicht, dass bei 13 befristeten Verträgen in 11 Jahren kein nur vorübergehender Bedarf an Vertretungskräften bestand. Vielmehr sei ein dauerhafter Bedarf gegeben, so dass eine unbefristete Anstellung eines Arbeitnehmers erfolgen müsse. Eine sachliche Rechtfertigung für die Befristung sei somit zu verneinen.

Das beklagte Land Nordrhein-Westfalen argumentierte diesbezüglich, dass auch das Vorliegen eines ständigen Vertretungsbedarfs nicht einen sachlichen Grund i.S. der EU-Vorschrift Paragraf 5 Nr. 1a der Rahmenvereinbarung über befristete Verträge sowie § 14 Abs. 1 Nr. 3 TzBfG ausschließe.

Das BAG legte den Rechtsstreit dem EuGH zur Vorabentscheidung vor. Dieses verneinte eine Kollision  mit Unionsrecht und schloss sich der Ansicht des beklagten Landes Nordrhein-Westfalen an.

Danach stellt der vorübergehende Bedarf einer Vertretungskraft einen sachlichen Grund dar, welcher nicht mit EU-Recht (Paragraf 5 Nr. 1a der Rahmenvereinbarung über befristete Verträge) und nationalem Recht (§ 14 Abs. 1 Nr. 3 TzBfG) kollidiert. Im Übrigen ist der § 14 TzBfG EU-rechtskonform.

Ferner wird vom EuGH festgestellt, dass es in einer Verwaltung eines Bundeslandes mit einer großen Anzahl an Mitarbeitern unvermeidlich sei, dass Ausfälle von Arbeitnehmern bedingt durch Krankheits-, Mutterschafts- oder Elternurlaub gegeben sind. Die vorübergehende Vertretung von Arbeitnehmern bildet somit einen sachlichen  Grund für ein befristetes Arbeitsverhältnis. Dies gilt insbesondere, wenn legitime sozialpolitische Ziele – wie im hier gegebenen Fall – verfolgt werden.

Es muss jedoch durch nationale Stellen im Einzelfall geprüft werden, ob die Verlängerung aufeinanderfolgender Arbeitsverhältnisse mit Befristung zur Deckung eines nur zeitweiligen Bedarfs erforderlich oder in Wirklichkeit ein ständiger und dauerhafter Bedarf des Arbeitgebers gegeben ist.

Von der Rahmenvereinbarung über befristete Verträge wird jedoch nicht angeordnet, dass besonders große Unternehmen und Einrichtungen automatisch unbefristete Verträge abschließen müssen, wenn die Zusammensetzung des Personals darauf schließen lässt, dass ein wiederholter und ständiger Bedarf an Vertretungskräften gegeben ist. Dies geht über das Ziel der Rahmenvereinbarung hinaus.

Der Rechtsstreit ist nun unter Zugrundelegung dieser Ansicht des EuGH abschließend vom BAG zu entscheiden.