BAG, Urteil vom 28.06.2012 – 6 AZR 780/10
Dem Urteil liegt folgender Sachverhalt zu Grunde: Mit einer Kündigungsschutzklage begehrt der Kläger die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung des Beklagten, dem Insolvenzverwalter der Schuldnerin (Arbeitgeberin), beendet wurde.
Mit Vordruck von der Bundesagentur für Arbeit wurde eine Massenentlassungsanzeige für 37 Arbeitnehmer selbiger übermittelt.
Angefügt war eine Liste von Arbeitnehmern mit Daten wie Geschlecht, Alter, Beruf, Staatsangehörigkeit usw. Der Kläger wurde in dieser Liste aufgeführt, da ihm ebenfalls gekündigt wurde.
Am selben Tag ging bei der Bundesagentur ein gesondertes kurzes Schreiben des Betriebsratsvorsitzenden ein. Dort hieß es: „der Betriebsrat… wurde informiert, dass ein Antrag auf Entlassungen gem. § 17 KSchG an die Bundesagentur für Arbeit gesendet wurde.“ Diese Mitteilung enthielt keine weiteren Angaben. Insbesondere wurden die Sachlage und potentielle Verhandlungen mit dem Arbeitgeber nicht erörtert.
Der Kläger war der Auffassung, dass die Kündigung unwirksam war. Er hatte mit der Argumentation, dass das Schreiben des Betriebsrates nicht den gesetzlichen Anforderungen entspreche, Erfolg. Das BAG wies die Revision des Beklagten als unbegründet zurück.
Nach § 17 KSchG trifft den Arbeitgeber eine Anzeigepflicht bei der Agentur für Arbeit, wenn er einen gewissen Prozentsatz an Arbeitnehmern entlässt. Wird die relevante Anzahl an Mitarbeitern entlassen, so spricht man von einer Massenentlassung. Beispielhaft sei § 17 Abs. 1 Nr. 1 KSchG genannt, der anordnet, dass bei einem Betrieb mit 20 bis 60 Mitarbeitern eine Anzeigepflicht bei 5 Entlassungen besteht. Zweck des § 17 KSchG ist es, dass der Arbeitsagentur die Möglichkeit gegeben wird, Maßnahmen zur Vermeidung oder Verzögerung von Belastungen des Arbeitsmarktes zu ergreifen.
Für den Arbeitgeber besonders beachtlich sind die sog. „Muss-Angaben“ des § 17 Abs. 3 S. 4 KSchG, wonach Daten wie Geschlecht, Alter, Beruf, Staatsangehörigkeit zwingend anzugeben sind. Im vorliegenden Fall entsprach die Massenentlassungsanzeige diesen Anforderungen.
Nicht notwendig ist es, so führte das BAG aus, dass eine Massenentlassungsanzeige die tatsächlich entlassenen Arbeitnehmer nennt. Kündigen auf Grund der bevorstehenden Massenentlassung selbst Mitarbeiter, so sind diese weiterhin zu benennen, auch wenn diese Arbeitnehmer nicht mehr von der Massenentlassung betroffen sind.
Entgegen § 17 Abs. 3 S. 2 KSchG war der Massenentlassungsanzeige keine Stellungnahme des Betriebsrats beigefügt. Diese Vorschrift dient dem Schutz der Arbeitnehmer. Auch hat sie hinsichtlich der Agentur für Arbeit informatorischen Charakter, da aufgezeigt wird, welche Maßnahmen bereits vorgeschlagen und tatsächlich Beratungsgespräche zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmervertretern getroffen worden sind. Auch soll dem Betriebsrat die Möglichkeit der Meinungsäußerung gegeben werden.
Auch wurden nicht die Voraussetzungen des § 17 Abs. 3 S. 3 KSchG dargelegt. Danach ist eine Massenentlassungsanzeige wirksam, wenn der Arbeitgeber den Betriebsrat zwei Wochen vorher zur Stellungnahme aufgefordert hat und dieser trotzdem keine Stellungnahme abgab. Auch muss der Arbeitgeber den Stand der Verhandlungen erörtern. Der Mangel einer fehlenden Stellungnahme des Betriebsrates kann auf diese Weise geheilt werden. Dem Beklagten und der Schuldnerin (Arbeitgeberin) war jedoch so ein Entlastungsbeweis nicht möglich, da keine Informationen erfolgten, die den Voraussetzungen des § 17 Abs. 3 S. 3 KSchG entsprochen hätten.